Welpenfrühförderung

Es macht mir unglaublich viel Freude, die acht bis zehn Wochen der kleinen Hunde bei uns zu nutzen, um sie auf das Leben mit einem Menschen vorzubereiten. Dabei ist der Spaßfaktor immer der beste Weg, falsch verstandener Ehrgeiz oder Druck, etwas zu erreichen, spielt für uns keine Rolle. 

Jeder Welpe ist eine eigene Persönlichkeit, sodass wir individuell mit dem umgehen lernen, was sich zeigt. Auch wenn die Welpen gleich alt sind, könnten sie manchmal nicht unterschiedlicher sein. Manche sind einfach schon weiter in ihrer Entwicklung und wirken deshalb selbstsicherer, manche vorsichtiger, weil sie noch etwas länger brauchen, um zu ihren Geschwistern aufzuholen. In den Wochen bei uns kann sich hier noch sehr viel verändern. Unsere Aufgabe ist es, auf ihre Persönlichkeit einzugehen und individuell zu fördern, damit jeder Welpe ein ausgeglichenes Verhalten entwickeln kann. Es ist zu leicht, Welpen einfach als dominant oder ängstlich zu kategorisieren, und es dabei bewenden zu lassen. Dadurch verstärkt man einzelne Eigenschaften sogar noch, indem man beispielsweise dem vermeintlichen "Rudelchef" mehr durchgehen lässt als den anderen oder den "Angsthasen" vor allen neuen Eindrücken abschirmt. Wir wollen keine Extreme, die im späteren Alltag problematisch werden, fördern. Deshalb greifen wir ausgleichend ein, denn jeder Welpe braucht eine individuelle Förderung. Sehr freche Welpen müssen vielleicht lernen, sich auch zurückzunehmen und zu beruhigen, während sehr vorsichtige ihr Selbstvertrauen noch ausbauen sollten, um mehr Sicherheit zu gewinnen. Es gibt unserer Sicht nach keine besseren oder schlechteren Charaktere, nur einzelne Stärken und Schwächen, auf die wir bei jedem Welpen eingehen wollen.

Die eigentliche Prägung beginnt aber schon lange vor der Geburt. Bereits in der Trächtigkeit der Hündin sorgt ein ruhiges und positives Umfeld für wenig Stress und niedrige Spiegel der dadurch freigesetzten Stresshormone, die sich auf die Entwicklung des Nervensystems der Welpen ungünstig auswirken würden. Viele sanfte Berührungen der Hündin fördern ihre Entspannung und wirken beruhigend auf ihre Babies. Dies gilt gleichermaßen in der Geburtsphase, auch hier ist Stress kontraproduktiv. Es gehören viel Ruhe und Vertrauen in die Hündin dazu, auch um eine komplikationslose Geburt zu meistern. Es gibt naturgegebene Situationen, die zu einer Komplikation führen und einen Kaiserschnitt erfordern, aus Unerfahrenheit können aber auch gestresstes oder unsicheres Verhalten des Geburtshelfers und seines Umfeldes eine Hundegeburt sogar stagnieren lassen.

Wir beginnen mit dem Prägen von Anfang an; das heißt nicht erst, wenn die Welpen nach zwei oder drei Wochen ihre Augen geöffnet haben und mobil werden. Wir geben ihnen von Anfang an Reize, durch die sie den Menschen positiv kennenlernen. Dazu braucht es sehr viel Berührung durch unsere Hände und direkten Hautkontakt, sodass sie den Herzschlag eines Menschen, der sich von dem der Mutter unterscheidet, als beruhigend und angenehm empfinden. Sie lernen auch Temperaturunterschiede kennen; ganz kurze Kältereize und Wärmequellen, die sie selber durch Robben finden, gehören dazu. Nicht immer direkt an die Milchquelle gelegt zu werden, sondern sich selbst den Weg danach zu suchen, fördert schon bei Neugeborenen eine gewisse Frustrationstoleranz und legt die Basis für Selbständigkeit und Geduld. Viele Züchter überlassen in den ersten Wochen die Versorgung der Welpen ausschließlich der Mutter. Das soll natürlich auch so sein, wir würden uns da niemals störend einmischen oder der Mutter Stress bereiten. In diesem sehr wertvollen Zeitfenster kann man aber trotzdem mit Sensibilität und Rücksicht bereits vieles positiv prägen.

Wenn die Welpen etwas älter sind, machen wir täglich verschiedenste Aktivitäten mit ihnen, Krallenschneiden, wir spielen Tierarztbesuche, Fellpflege, machen erste kleine Erfahrungen im Auto, lassen sie verschiedenste Geräusche hören und viel mehr. Ebenso kann man bei der Fütterung sehr viel mehr tun, als nur einfach einen Futterring mit Fressen hinzustellen. Bei uns bekommt jeder Welpe eine eigene Schüssel und lernt von Anfang an, nicht zu einer anderen zu wandern, wenn er schon fertig ist. So vermeidet man zum einen eine ungerechte Futterverteilung, die schnelleren Fresser schlingen ihr Futter weniger, und zum anderen dürfen die Welpen, die vorsichtiger oder noch nicht so geschickt sind, in Ruhe fressen. Während des Fressens werden sie von uns immer wieder berührt, damit sie zu tolerieren lernen, dass man sich ihrem Futter auch nähert. Auch hier sollten mit Sachverstand und Konsequenz genau diese Situationen erlernt werden, die später im Alltag von Bedeutung sind. Dazu gehört Erfahrung im Umgang mit Welpen; Unsicherheit und Unruhe bewirken das Gegenteil. Wir überlassen die Welpen nicht einfach sich selbst, sondern separieren sogar manchmal die Hundemutter, damit sie sich etwas erholen kann und jemand von uns bleibt bei den Kleinen. So lernen sie von Anfang an, dass sie sich selbstverständlich neben einem Menschen aufhalten. Wir schlafen nachts bei ihnen, arbeiten am Laptop neben ihnen, oder ich rolle meine Yogamatte aus und mache dort meine Asanas. (Es erstaunt mich immer wieder, wie beruhigend Yoga auf Welpen wirkt.) Auch eine sich wiederholende Melodie oder beruhigende Stimme lieben die Welpen sehr, oft sitze ich in der Wurfkiste, alle Welpen liegen nah an meinen Körper geschmiegt und schlafen tief und fest, während ich ihnen "La-Le-Lu" vorsinge. Das klingt vielleicht albern, aber tatsächlich kann man unsere Cannelle, die wir so aufgezogen haben, bis heute in jeder Situation sofort beruhigen, indem man den Beginn dieses Liedes summt. Oft hören sie bei uns Klavierspielen oder klassische Musik, die durch die ständig wechselnden Töne und Rhythmen stimulierend auf das Gehirn wirkt.

Später steigern wir die Erfahrungen mit unbekannten Situationen, die Prägung mit Außenreizen gehört für viele Züchter schon zum Programm. Wichtig dabei ist es, dass diese Erfahrungen zum täglichen Ritual werden und nicht nur einmal als Erlebnis abgehakt werden. Unsere Erfahrung ist es, lieber öfter die gleichen Dinge gut zu trainieren, als jeden Tag Neues nur einmal zu üben. Jeder Wurf hat seine eigene Dynamik und es gibt deshalb kein Geheimrezept. Wenn die kleinen Hunde bei uns ausziehen, haben sie als Allerwichtigstes eine positive und nahe Bindung an Menschen kennengelernt.

Für einen Züchter, der zum ersten Mal Welpen aufzieht, ist das oft alles einfach zu viel, weil ja die Hundemutter da ist und es auch so läuft. Auch wir haben so angefangen und wissen, wie unsicher man sein kann. Aber wir lernen mit jedem Wurf dazu und entwickeln immer wieder neue Ideen. Zum Schluss möchte ich betonen, dass wir uns nur bemühen, unseren Welpen eine gute Basis für ihre Entwicklung zu geben. Die beste Prägung kann auch wieder zunichte gemacht werden, wenn später Aufmerksamkeit, Geduld und Konsequenz fehlen, nur mit Liebe ist noch kein Hund gut erzogen worden.